Die Verwendung von Deponiesickerwasser in biologischen Behandlungsanlagen für Restabfall
1. Einführung und Problemdarstellung
Die mechanisch-biologische Abfallbehandlungsanlage auf Fridhaff hat zur Hauptaufgabe eine Trennung der verwertbaren Abfälle von den übrigen Abfällen vorzunehmen, die abzulagern sind.
Was die abzulagernden Abfälle angeht, so werden sie zunächst einem Prozess zur biologischen Stabilisierung mit Wärmebildung unterzogen. Die Abfälle werden biologisch stabilisiert, um Schadstoffemissionen zu verringern und es kommt zur Bildung von Wärmeenergie. Diese Energie wird zur Verdunstung des Deponiesickerwassers genutzt und um so dessen kostenaufwendige Behandlung in einer Abwasserreinigungsanlage einzusparen.
Die verschiedenen Behandlungsphasen, wie auch die hydro-thermischen Prozesse werden nachstehend genauer betrachtet.
Die nachstehenden Ausführungen beruhen auf den Ergebnissen einer Studie der Ingenieurgemeinschaft Witzenhausen Fricke und Turk und den praktischen Erfahrungen des SIDEC.
2. Grundlagen und relevante Parameter
Während des biologischen Behandlungsprozesses werden die Deponiesickerwässer zur Befeuchtung des Rottematerials eingesetzt. Dies ermöglicht die ursprüngliche Zielsetzung der biologischen Behandlung zu erweitern, nämlich die Herstellung eines biologisch stabilisierten Materials, was die Emissionen bei dessen Ablagerung einschränkt.
Um die Effizienz der Sickerwassernutzung im Hinblick auf die eingangs genannte Zielsetzung effektiv beurteilen zu können, muss zunächst vertiefend auf die thermodynamischen Grundlagen eingegangen werden. In diesem Zusammenhang ist zwischen folgenden Vorgängen zu unterscheiden.
1. der Verdampfung des Wassers
2. dem Austrag des verdampften Wassers mit Hilfe der Tunnelabluft in den Gesamtabluftstrom und
3. dem Austrag des verdampften Wassers mit dem Reingas in die Atmosphäre
Die genannten Vorgänge werden in unterschiedlichem Masse durch identische Parameter beeinflusst und in den folgenden Kapiteln näher erläutert.
Zur besseren Übersicht der in den nachfolgenden Kapiteln genannten Luftströme sind diese in der Abbildung 1 schematisch dargestellt.
2.1 Wasserverdampfung
Die gesamte durch den Rotteprozess in thermischer Form freigesetzte Energie wird für die Aufrechterhaltung folgender Prozesse benötigt bzw. durch diese verbraucht:
1. Aufheizung des Rottegutes bzw. Erhaltung der inneren thermischen Energie,
2. Angleichung der Temperatur der umgehenden Bauteile an die Temperatur des Rottesgutes sowie Ausgleich der Strahlungsverluste,
3. Erwärmung der Zuluft auf die Rotteguttemperatur und
4. Verdunstung von Wasser
Die durch den Rotteprozess entstehende und anhand zahlreicher Versuche bestätigte thermische Energie von ca. 22,5 MJ je kg abgebauter organischer Trockensubstanz (oTS) steht demnach nicht vollständig dem definierten Ziel, der Verdampfung von Wasser, zur Verfügung.
Zu den Punkten 1 und 2 :
Nach der Aufheizung des Rottematerials auf die dem betrachteten Fall zu Grunde liegende jeweilige Zieltemperatur wird nur noch ein geringer Teil der durch den organischen Abbauprozess freigesetzten Energie zur Erhaltung der inneren thermischen Energie und zur Kompensation der Abstrahlungsverluste des Rottematerials benötigt. Die verbleibende freigesetzte Energie steht zur Erwärmung der Rottezuluft (3.) sowie zum definierten Ziel, der Verdampfung des Wassers, zur Verfügung (4.).
Zu 3. :
Der Energiebedarf zur Erwärmung der Zuluft zum Rotteprozess ist einerseits abhängig von der Masse der zu erwärmenden Luft, der Temperatur der Frisch- und Umluft und zum anderen von der Masse des in der Zuluft (Frischluft- und Umluftanteil) enthaltenen Wassers. Das in der Zuluftmischung enthaltene Wasser ist insbesondere bei der gegenständlichen Untersuchungsvariante mit anteiliger Kreislaufführung der Luft (Mischluftbetrieb) von Bedeutung.
Zu 4. :
Mit der Zunahme der Temperatur des Rottegutes steigt analog auch die Temperatur des im Rottegut enthaltenen Wassers, während der Energiebedarf zur Verdampfung (Verdampfungsenthalpie) abnimmt. Der Grad der potenziellen Wasserverdampfung steigt somit grundsätzlich analog zur Mietentemperatur. Aus dem Verhältnis der spezifischen Wärmekapazität der Rottezuluft inklusive des in der Luft enthaltenen Wassers und der temperaturabhängigen Verdampfungsenthalpie des im Rottegut enthaltenen Wassers ergibt sich, dass die Temperatur des Rottegutes innerhalb der einzelnen Rottephasen durch die Einstellung einer entsprechenden Zuluftmenge konstant gehalten und parallel dazu mit Hilfe der verbleibenden Thermischen Energie Wasser verdampft werden kann. Zusätzlich ist in diesem Zusammenhang die Verdunstung von nicht gebundenem Wasser in Abhängigkeit der Luft- und Wassertemperatur sowie der Luftgeschwindigkeit zu beachten.
2.2 Austrag der verdampften Wassers in die Tunnelabluft
Die optimale Zuluftmenge ist erreicht, wenn dem Rottegut mit der Tunnelabluft lediglich soviel thermische Energie entzogen wird, dass noch ein möglich hohes Restpotenzial thermischer Energie zur Verdampfung des Wassers sowie zur Kompensation der Abstrahlungsverluste zur Verfügung steht. Zusätzlich muss durch entsprechende Regelung der Gesamtmenge der Zuluft und des darin enthaltenen Frischluftanteils (Frischluft 1 gemäss Abbildung 1) sichergergestellt sein, dass die Tunnelabluft der jeweiligen Rottecharge die verdampfte Wassermenge möglichst vollständig aufnehmen und in den Reingasstrom überführen kann.
Aus den vorangegangenen Erläuterungen zur Energienutzung kann die Folgerung gezogen werden, dass durch die Erhöhung der Zuluftmenge über einen materialabhängigen Grenzwert hinaus, bei gleich bleibender Temperatur der Zuluft, ein entsprechend höherer Anteil der zur Verfügung stehenden thermischen Energie verbraucht wird und somit nicht mehr zur Kompensation der Strahlungsverluste sowie zur Verdampfung von Wasser zur Verfügung steht.
Die Temperatur des Rottegemischs beeinflusst den Grad der durch den organischen Abbau freigesetzten thermischen Energie (22,5 MJ/kg oTS-Abbau) grundsätzlich nicht. Lediglich die Nutzung der freigesetzten Energie ist im Hinblick auf das definierte Ziel von ihr abhängig.
Zur Verdeutlichung dieses Sachverhaltes ist nachfolgend die nicht lineare Veränderung des Energiebedarfes zur Erwärmung der Rottezuluft (Umluft- und Frischluftanteil) auf die Temperatur des Rottematerials bei Rottetemperaturen von 323 K, 328 K und 333 K beispielhaft dargestellt. Hierbei wird von der ermittelten, standortspezifischen durchschnittlichen Jahrestemperatur von 283 K und einer ebenfalls durchschnittlichen relativen Luftfeuchtigkeit von 90 % ausgegangen.
Erwärmung von 283 K auf 323 K => ca.. 0,50 MJ / m³
Erwärmung von 283 K auf 328 K => ca. 0,60 MJ / m³
Erwärmung von 283 K auf 333 K => ca. 0,65 MJ / m³
Aus den dargestellten Veränderungen des Energiebedarfs zur Lufterwärmung lässt sich folgern, dass bei einer niedrigeren Rottetemperatur zunächst ein höherer Energieanteil zur Wasserverdampfung zur Verfügung steht. Da der Energieverlust durch Abstrahlungsverluste analog zu dem abnehmenden Temperaturdelta zwischen Umgebungstemperatur(en) und der Temperatur des Rottegutes abnimmt, wird der zur Verdampfung verfügbare Anteil der Energie ebenfalls erhöht. Betrachtet man abschliessend die mit abnehmender Temperatur steigende Verdampfungsenthalpie, stellt man fest, dass diese bei Absenkung der Solltemperatur des Rottematerials von beispielsweise 328 Kauf 328 K lediglich um ca. 12 kJ/kg zunimmt. Der mögliche Wasseraustrag des verdampften Wassers aus dem Rottematerial in der Tunnelabluft nimmt im untersuchten Temperaturbereich von 323 K bis 333 K demnach mit abnehmender Mietentemperatur theoretisch zu.
Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass Luft bei einer Temperatur von 323 K deutlich weniger Wasser pro m3 Luft aufnehmen kann als bei 328 K. Um diese im Hinblick auf das definierte Ziel gegenläufigen Effekte, erhöhte Wasserverdampfung einerseits und eine verminderte Wasseraufnahmefähigkeit der Abluft andererseits, zu kompensieren, kann lediglich die zugeführte Luftmenge bzw. der in der zugeführten Luftmenge enthaltenen Frischluftanteil (Frischluft 1 gemäss Abbildung 1) erhöht werden. Diese Möglichkeit wird jedoch durch den Zwang der erforderlichen Erhaltes der inneren thermischen Energie des Rottematerials begrenzt.
Eine Erhöhung der zugeführten Luftmasse führt automatisch zu einem erhöhten Energiebedarf zur Erwärmung der Rottezuluft. Dies hat wiederum zur Folge, dass der praktisch realisierbare Wasseraustrag aus dem Rottematerial in die Tunnelabluft im Gegensatz zur möglichen Wasserverdampfung nicht mit abnehmender sondern mit zunehmender Rottetemperatur zunimmt.
2.3 Austrag des verdampften Wassers in die Atmosphäre
Der Umluftanteil der Tunnelabluft kühlt sich aufgrund der spezifischen Wärmekapazität der Luft nach der Zumischung zum Rohgasstrom schnell ab. Dies hat zur Folge, dass aus der i.d. R. weitestgehend wassergesättigten Abluft das verdampfte Wasser auskondensiert. Aufgrund der temperaturabhängigen, spezifischen Wasseraufnahmefähigkeit der Luft ist die Menge des auf diese Weise anfallenden Kondensates selbst bei geringer Abnahme der Lufttemperatur im Hinblick auf das definierte Ziel vergleichsweise hoch.
Zur Kompensation der verminderten Wasseraufnahmefähigkeit der abgekühlten Luft besteht an dieser Stelle jedoch die Möglichkeit, zusätzliche Frischluft (Frischluft 2 gemäss abbildung 1, z.B. Hallenabluft) zuzumischen. Durch diese Massnahme kann die entstehende Differenz zwischen vorhandenem und durch den Rohgasstrom maximal aufnehmbarer Menge Wasser ausgeglichen werden. In diesem Zusammenhang muss berücksichtigt werden, dass aus diesem Vorgehen eine Erhöhung der Gesamtabluftmenge resultiert. In dem betrachteten Fall wird von einer Abluftbehandlung mittels Biofilter ausgegangen. Aufgrund dessen muss der Minimierung der Abluftmengen nicht dieselbe wirtschaftliche Relevanz beigemessen werden wie im falle der Abluftbehandlung mittels thermisch-regenerativer Oxidation. Grundsätzlich ist dies jedoch fallspezifisch zu bewerten.
Die dem Rohgas zuzusetzende Frischluftmenge (Frischluft 2 gemäss Abbildung 1) richtet sich zum einen nach der jeweiligen Temperatur der Frischluft sowie des unvermischten Rohgases und zum anderen nach der Zieltemperatur des Rohgases bei Eintritt in die Abluftbehandlung, die bei den zugrunde liegenden Abluftbehandlungsverfahren (Biofilter) zwischen 308 K und 313 K liegen soll. Eine Wassersättigung von ca. 90 % des Rohgasstromes sollte im Hinblick auf die weistestgehend mögliche Vermeidung des Kondensatausfalls nicht überschritten werden. Auf diese Weise kann sicher gestellt werden, dass die im Rohgas enthaltenen Wassermengen weitestgehend in das Reingas überführt werden können.
Die nachfolgend erläuterten und vor dem Hintergrund des definierten Zieles optimaler Eintrittstemperaturen des Rohgases in den Biofilter liegt unter Berücksichtigung der definierten Zielsetzung der vorgenommenen Betrachtungen bei ca. 313 K (siehe Kapitel 4).
3. Grundlagen des Fallbeispiels
Die vorgenommenen Berechnungen werden – wie bereits erwähnt – anhand der Eingangsdaten der mechanisch-biologischen Behandlung dargestellt. Als Berechnungsgrundlage wurde eine biologische Behandlungsstufe von etwa 30.000 Mg/a (Korngrösse < 150 mm, oTS-Gehalt ca. 66 % TS), eine Jahresdurchschnittstemperatur von 283 K sowie eine durchschnittliche relative Luftfeuchtigkeit von 90 % angenommen. Die vorgesehene Rottezeit beträgt 6 Wochen (Rotteziel: Reduktion der Atmungsaktivität (AT4) des Eingangsmaterials um > 80 %. Die am Standort anfallende Gesamtmenge an Deponiesickerwasser beträgt weniger als 18.000 m3 pro Jahr.
Die angesetzte spezifische Wärmekapazität des Rottegutes (Energie, die einem Körper zugeführt werden muss um seine Temperatur um 1 K zu erhöhen) von 2,95 kJ/kg*K wurde auf Basis der oben genannten Resthausmüllzusammensetzung in Verbindung mit den jeweiligen spezifischen Wärmekapazitäten der Einzelstoffe sowie des Inputwassergehaltes ermittelt.
In den durchgeführten Untersuchungen wird von einer Abluftbehandlung mittels saurem Wäscher in Kombination mit einem Flächenbiofilter ausgegangen.
Im Anschluss werden die Berechnungen der folgenden Fallbeispiele eingehender betrachtet:
- Mögliche Verdampfung aus dem Rottegut bei Rottetemperaturen, von 323 K, 328 K und 333 K (Solltemperaturen)
- Möglicher Wasseraustrag über die Abluft bei Eintrittstemperaturen in den Biofilter von 308 und 313 K,
- Verbleibende und somit zu entsorgende Mengen von unbehandeltem Deponiesickerwasser, Sickerwasser und Kondensaten
Die Belüftungszeit beläuft sich auf 5,5 Tagen je Rottewoche. Dabei werden die Rottezeitverluste für das Umsetzen, für die erforderlichen Aufheizungsphasen des Materials nach dem Eintragen bzw. dem Umsetzen sowie für die Bewässerungsvorgänge berücksichtigt.
4 Ergebnisse
4.1 Verdampfungsmengen und Wasseraustrag
Für die unterschiedlichen betrachteten Rottetemperaturen von 323 K, 328 K und 333 K des untersuchten Fallbeispieles (siehe Berechnungsgrundlagen in Kapitel 2.1) sind die unter Beachtung der in Kapitel 2.2 und 2.3 erläuterten Zusammenhänge ermittelten Luftwechselraten sowie die möglichen Verdampfungsmengen aus dem Rottegut in den Abbildungen 2 und 3 dargestellt.
Abbildung 1 :
Luftwechselraten
Abbildung 2 :
Verdampfungsmengen (kumulativ) aus dem Rottegut bei Luftwechselraten gemäss Abbildung 1
Die auf Basis der Rechenmodelle ermittelten Gesamtabluftmengen (Reingas), der Kondensatanfall sowie die möglichen Austragsmengen des eingesetzten Deponiesickerwassers (mit dem Reingas) bei Rohgastemperaturen (Eintritt in den Biofilter) von 308 K und 313 K sind für die unterschiedlich betrachteten Rottetemperaturen in den untenstehenden Abbildungen dargestellt.
Abbildung 3 :
Gesamtabluftmengen / Kondensatanfall / Verdampfungsmengen bei einer Rohgastemperatur von 308 K
Abbildung 4 :
Gesamtabluftmengen / Kondensatanfall / Verdampfungsmengen bei einer Rohgastemperatur von 313 K
4.1.1 Fazit der Berechnungen
Anhand der vorstehenden Abbildungen bzw. Erläuterungen wurde für den betrachteten Fall eine optimale Rottetemperatur von 323 K bei einer Temperatur des Gesamtabluftstromes von 313 festgestellt. Bei diesen Temperaturen wird den vorangegangenen Berechnungen zu Folge der maximale Wasseraustrag in die Atmosphäre erzielt.
Der Weiteren wurde für den betrachteten Fall ein Austrag von verdampftem Wasser über die Abluft in die Atmosphäre von ca. 1.600 Liter je Mg Eintrag organischer Trockensubstanz in die biologische Behandlungsanlage ermittelt.
Der Austrag des verdampften Wassers in die Tunnelabluft vor Frischluftzumischung und Biofilter wurde mit ca. 2.750 Liter je Mg eingetragener organischer Trockensubstanz ermittelt.
5 Verifikation des Berechnungsmodells in der Praxis
Nachdem nunmehr die biologische Restabfallbehandlungsanlage auf Fridhaff seit 3 Jahren in Betrieb ist, konnten die Ergebnisse aus der Praxis zum Abbau der organischen Substanz und zur Verdampfung von Sickerwasser mit den eingangs dargestellten Berechnungen verglichen werden.
Die Ermittlung der verdampften Wasseraustragsmengen erfolgte über die Erstellung einer jährlichen Gesamtwasserbilanz für die Anlage. Dabei konnte die gesamte in der Anlage behandelte Sickerwassermenge bilanziert werden.
Die stärksten Wasseraustragsmengen waren in den Sommermonaten zu verzeichnen. In den Wintermonaten kann die über die Abluft ausgetragene Wassermenge unter die Hälfte der in den Sommermonaten festgestellten Mengen fallen.
Einer Gesamtbehandlungsmenge in der biologischen Anlage von etwa 21.000 Mg Frischssubstanz im Jahr 2009, steht ein Sickerwasserverbrauch von etwa 12.000 m3 gegenüber.
Geht man von einem TS-Gehalt des Inputmaterials von 55 % aus und nimmt ein oTS-Gehalt von 66 % an, so wurden je Tonne organischer Trockensubstanz in etwa 2.750 Liter Sickerwasser verdampft.
Es ist also eine ganz deutliche Übereinstimmung mit den Berechnungsergebnissen zu verzeichnen.